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Die Fragestellung »Antike und Christentum« und die Aufgabe des RAC

Das RAC dient als Hilfsmittel zur Erforschung der ausgehenden Antike und des beginnenden Frühmittelalters bzw. der frühbyzantinischen Zeit. Konkret soll die Frage beantwortet werden: Wie wurde aus der vielschichtigen, keineswegs einheitlichen antiken Kultur, die sich seit hellenistischer Zeit in der Mittelmeerwelt entwickelte, die spätantik-christliche der folgenden Jahrhunderte? Die Bedeutung dieser Fragestellung ergibt sich aus der Tatsache, dass diese spätantik-christliche Kultur eine Vorstufe der mittelalterlichen und damit zum Teil der heutigen bildet. Verkürzt wird diese Aufgabenstellung mit der von F. J. Dölger geprägten, im Untertitel des RAC programmatisch verwendeten Formel »Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt« umschrieben.

»Auseinandersetzung« ist ein wechselseitiger, oft dramatischer Vorgang: Christen nehmen gezielt zu Erscheinungen des religiösen und profanen Lebens ihrer Zeit Stellung, distanzieren sich von diesem Element, übernehmen jenes absichtlich, modifizieren wieder anderes in unterschiedlichen Graden und schaffen damit etwas Neues. In ähnlicher Weise konnten sich die heidnisch gebliebenen Teile der Gesellschaft dem Eindruck der langsam in Erscheinung tretenden Kirche nicht entziehen und setzten einen in gewissem Sinne umgekehrten Profilierungsprozess in Gang.

In Verbindung mit dieser gezielten Auseinandersetzung kam es zu einem viel breiteren, erheblich schwerer fassbaren Verschmelzungsprozess, in dem beide Seiten in alltäglichen Begegnungen unreflektiert und spontan Lebensweisen, Glaubensformen und Einrichtungen der anderen übernahmen.

Die Frage nach dem Werden der spätantik-christlichen Kultur verlangt zu ihrer Beantwortung, alle Bereiche, möglichst sogar sämtliche spätantik-christlichen Einzelelemente, zu beschreiben und mit den antik-vorchristlichen zu vergleichen. Die dabei zutage tretenden Unterschiede sind keineswegs schon als christlich oder christlich bedingt einzustufen, denn neben dem dramatischen Entweder-Oder gezielter Auseinandersetzung gewinnen die alltäglichen gegenseitigen Stellungnahmen größere Bedeutung und lassen das Werden des Christentums, seiner Ausdrucksformen wie vieler seiner Inhalte, nur als eine Facette der Gesamtentwicklung der hellenistisch-vorchristlichen Kultur erscheinen.

Dabei darf antik- oder hellenistisch-vorchristliche Kultur nicht zu eng gefasst werden. Die griechisch und lateinisch sprechende Welt fällt ebenso darunter wie die in zahlreichen Nationalsprachen sich artikulierenden Hinterländer, vor allem der jüdisch-palästinische Bereich und die gesamte jüdische Diaspora. Da prinzipiell alles zu berücksichtigen ist, was das Christentum im Osten bis zur arabischen Invasion, im Westen bis zur Zeit Isidors von Sevilla um sich herum vorfand, gilt es sogar, den Mittelmeerraum und seine Randkulturen im weiteren Sinne gelegentlich über Indien hinaus bis weit nach Ostasien zu überschreiten, besonders, wenn dort entwickelte Formen des Christlichen auf den Mittelmeerraum zurückgewirkt haben.

Die Bewältigung dieser weitgespannten Aufgabe verlangt, die christlichen Quellen, literarische wie archäologische, in ihrer ganzen Breite zum gesamten Spektrum der vorchristlichen zumindest seit hellenistischer Zeit in Beziehung zu setzen. In der Praxis bedingen Forschungsstand und Spezialisierung des mit der Bearbeitung der Teilthemen Betrauten, dass nicht alle Quellen ausgewogen berücksichtigt werden. Häufig werden die literarischen Quellen des klassischen Altertums weitgehend ausgewertet, während andere für das Alltagsleben kaum weniger wichtige wie zum Beispiel Denkmäler oder Gebrauchsgegenstände aus frühchristlicher Zeit mangels Vorarbeiten untergehen. Entsprechendes gilt in noch stärkerem Maße von den nationalsprachlichen Kulturen.